Ich stehe nur da, schaue und staune. Das sind sie also, die berühmten „Rolling Hills“ der Highlands, die sanft dahinfließenden Bergketten des schottischen Hochlands. In ihrer ganzen beeindruckenden Farbenpracht. Ich nehme einen tiefen Schluck aus meiner Trinkflasche.
„ … und als Gott mal einen besonders guten Tag hatte, nahm er den Pinsel und malte Schottland“, denke ich bei mir, schwinge mich in den Sattel und jage Highlander-gleich in den Nebel, den nächsten schier endlos scheinenden Trail hinab.
Gehört hatte ich über Schottland schon viel. Die Highlands. Die epischen Landschaften. Die Trailcenter. Über Wetter und Sprache. Es war an der Zeit, das Mountainbike einzupacken, einfach loszufahren und das in mir gewachsene Bild einem Realitäts-Check zu unterziehen.
Wir hatten uns dafür entschieden, dieses Mal nicht den Flieger zu nehmen, sondern per Fähre überzusetzen. Mein Reisebegleiter und Schottland-Kenner Henry meinte, das sei die ehrlichste Art, Schottland zu bereisen. Außerdem könnten wir so jede Menge Bike-Zeug mitnehmen. Und das Verlockendste: Der Reisespaß würde pünktlich beim Auslaufen des Schiffes starten. Unser Fährhafen im niederländischen Ijmuiden liegt rund 25 Kilometer westlich von Amsterdam und direkt an der Nordsee. Von hier aus starten die großen Pötte der Fährgesellschaft DFDS ihre nächtliche Nordsee-Überfahrt ins nordenglische Newcastle. Wir stechen in See und schauen über die Reling. Die Küste verschwindet schleierhaft in der Ferne, während die Sonne kitschig-golden hinter einem Offshore-Windpark im Meer versinkt. Nie wirkte eine Energiegewinnungsanlage romantischer … Am nächsten Morgen erreichen wir ausgeschlafen und taufrisch die englische Ostküste und Newcastle upon Tyne. Quer durch Nordengland geht es hoch Richtung schottische Grenze. Obwohl das Land im Norden der britischen Insel mit rund 77.000 Quadratkilometern fast doppelt so groß ist wie die Niederlande, leben dort nur 5,3 Millionen Menschen – rund ein Drittel der niederländischen Bevölkerung. Viel Platz also für Mensch und Natur, sich zu entfalten. |
Morgenstimmung auf der Fähre: Der perfekte Start in den Urlaub. |
Unser erstes Etappenziel ist Aviemore in den schottischen Highlands. 400 Kilometer und 167 Kreisverkehre mit hochinteressantem Linksverkehr später treffen wir in dem putzigen Ort ein. Aviemore ist eines der Touristenzentren im Cairngorms National Park. Im Winter wimmelt es hier nur so vor Skifahrern, in der schneelosen Zeit erobern Wanderer und Radfahrer ihr Terrain zurück. Wir mieten uns in ein kleines Hostel ein und machen Bekanntschaft mit dem schottischen Akzent. Den Ausführungen unseres Rezeptionisten können wir nur auf Basis von Vermutungen folgen, er wiederum scheint unser Schulenglisch doch recht wunderlich zu finden.
Der nächste Tag beginnt mit Bohnen, Speck und natürlich Haggis – dem schottischen Nationalgericht, gefertigt aus dem Magen eines Schafes, Innereien, Zwiebeln und Hafermehl. Schmeckt genauso spannend, wie es klingt. Derart gestärkt machen wir uns auf den Weg Richtung Cairngorm Mountains. Für unsere Tour vertrauen wir auf das ROSE GROUND CONTROL. 130 mm Federweg, 650B, robust und zuverlässig – ein Allrounder und die ideale Symbiose aus Tourenfähigkeit und Reserven. Und wir vertrauen Martin. Unser Guide kennt hier jeden Trail und jeden Eichkater in der Gegend (und davon gibt es hier reichlich). Los geht es durch eine verschwenderisch schöne Natur auf direktem Weg zum Loch an Eilean. Inmitten des kleinen Sees liegt eine Insel und darauf thront eine Ruine. Während ich mich noch frage, welcher Clan einst hier hauste – vielleicht die MacLeods? –, erklärt Martin, dass die Besitzer von Loch an Eilean Castle oft wechselten und die Anlage später aufgegeben wurde. Militärisch nicht mehr tragfähig. Unser Weg geht weiter, rund um den See führt ein natürlicher Trail. Nahezu ebenerdig, sandig und kurvenreich schlängelt er sich durch eine farbvolle Heidelandschaft, durch Farn und fremdartige Gräser. Es ist ein Rot, ein Grün, ein Gelb von unglaublicher Intensität. Senken und Steigungen beflügeln unseren Fahrspaß, kleine Bachläufe queren den Trail, wir sorgen für Spritzwasser. Und immer wieder wird der Blick frei auf das wunderbare Seepanorama von Loch an Eilean. |
Wir sagen Martin Goodbye, packen unsere Räder ein und machen uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel 30 Kilometer südöstlich. Dort, wo wir nun hin möchten, sind seine Guiding-Künste nicht vonnöten. Im „Laggan Wolftrax“-Bikepark findet man sich auch ohne eine Spur von Ortskenntnissen sofort zurecht. Wie in einem Skigebiet gibt es hier Karten mit eingezeichneten Trails, die nach Schwierigkeitsgrad eingefärbt sind: grün für Anfänger (flache / breite Trails), orange für Fortgeschrittene (mit kleineren Wurzeln und Felsen), rot für Könner (steilere, technischere Trails) und schwarze Routen für die Experten. Man folgt einfach den Wegweisern mit den Pfeilen seiner Wunschfarbe, die Routenlänge variiert von 4 (orange) bis 15 Kilometern (rot).
Zuerst heißt es aber bergauf treten. Anders als in vielen Bikeparks gibt es hier keinen Lift. Höhenmeter, die man vernichten möchte, muss man sich vorher ehrlich erarbeiten. Der Uphill auf dem zentral gelegenen Forstweg bietet glücklicherweise einen hervorragenden Mix aus Höhengewinn und Geschwindigkeit. Wir kurbeln uns stoisch Meter für Meter bergauf und biegen dann in den „Upper Red“ ein. Der Untergrund wechselt. Große Steinplatten, aneinander gefügt wie ein rustikales Mosaik, bilden nun lange Abschnitte des Trails. Und obwohl es begonnen hat zu regnen, bieten die feuchten Felsen unseren Reifen bei diesem technischen Uphill enorm viel Traktion. Wir erreichen „The Wolf's Lair“, den höchsten Punkt des Bikeparks. Der Trail teilt sich, in eine schwarze Route mit verblockteren, technischeren Passagen mit Namen wie „Stilletto Staircase“ und „The Sack Attack!“ und eine rote Abfahrt. Wir wählen Rot und erleben eine Flowpassage der allerfeinsten Sorte. Anlieger, kleinere Tables und Drops besorgen uns kilometerlang reinsten Fahrspaß vor einer atemberaubenden Kulisse, bis uns der Trail wieder viel zu früh auf dem zentralen Forstweg ausspuckt. Von hier aus haben wir die Option, die anderen Trails anzusteuern, wovon wir regen Gebrauch machen. Der Regen nimmt zu. „Sommer im Land der Bravehearts“ schießt es mir durch den Kopf – und wirklich, mit einer Durchschnittstemperatur von unter 20 Grad im August ist Schottland nicht Sizilien. Die Einheimischen tragen das mit stoischer Gelassenheit und einfach die passenden Klamotten. Wir haben uns ganz loyal in Wasserfestes des schottischen Labels Endura gekleidet. |
Der Stammsitz der Firma liegt in Livingston, keine halbe Autostunde von Edinburgh entfernt. Und da wir auf unserer Rückfahrt aus den Highlands fast daran vorbeikommen, statten wir der Firma einen kleinen Besuch ab. Was 1992 mit vier Leuten in einem kleinen Appartement in der schottischen Hauptstadt begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer globalen Marke mit 130 Mitarbeitern allein in Livingston. „Ich habe einfach nur aus der Not eine Tugend gemacht“, erzählt uns Endura-Chef Jim McFarlane. Er sei damals nach einem 14-monatigen Sydney-Aufenthalt nach Schottland zurückgekehrt, war ohne Arbeit und auf der Suche nach guter Radbekleidung. Da ihn die auf dem Markt verfügbare Klamotte schlichtweg enttäuschte, beschloss er kurzerhand, selbst welche herzustellen. Der Fokus sollte dabei auf Funktion und Haltbarkeit liegen, ohne Abstriche bei Material und Konstruktion. Eben die Qualität, die er bei den Mitbewerbern vermisste.
Gleich die erste MT500-Linie mit ihren Shorts, Tights und Jerseys wurde fast über Nacht zum Erfolg und etablierte die junge Marke auf dem damals stark wachsenden britischen MTB-Markt. „Da saßen wir nun in unserem Appartement zwischen den ganzen Stoffrollen und Materialien und wussten kaum, wo wir einen Fuß hinsetzen sollten“, erzählt Jim schmunzelnd. Heute werden in der 4.300 Quadratmeter großen Zentrale neue Produkte entwickelt, Muster gefertigt, Kleinserien nach speziellen Kundenwünschen aufgelegt und selbstverständlich die „Isle of Skye Whisky“-Jerseys produziert. |
Edinburgh, nach London die meistbesuchte Stadt Großbritanniens |
Da Edinburgh nur läppische 20 Kilometer Luftlinie von Livingston entfernt liegt, können wir uns einen Abstecher dorthin nicht verkneifen. Und wir sind nachhaltig beeindruckt: Die schottische Hauptstadt wirkt wie die Kulisse eines Historienschinkens. Aus jedem Pflasterschein dringt Geschichte. Über allem thront weithin sichtbar das Edinburgh Castle, ehemals Sitz der schottischen Könige. Vom spektakulären Castle Rock bis zum Holyrood Palace zieht sich die historische Royal Mile mit ihren unzähligen Sehenswürdigkeiten: die Highland Tolbooth Church, St. Giles Cathedral, das Museum of Edinburgh und das John-Knox-Haus. Unterhalb der Altstadt beherrschen der Bahnhof Waverley und das Balmoral Hotel mit seiner berühmten Uhr die Szenerie. Auf der anderen Seite erstreckt sich die New Town mit eleganter Baustruktur und ihren modernen Einkaufspassagen.
Old Town und New Town von Edinburgh wurden 1995 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Kein Wunder, dass Edinburgh nach London die meistbesuchte Stadt Großbritanniens ist. Stundenlang laufen wir staunend durch diese geschichtsträchtige Filmkulisse und schießen die Akkus unserer Digitalkameras leer. Abends nehmen wir ein vorzügliches Mal im „Pub of the Year“, lauschen dabei der Livemusik und spülen mit einem schottischen Whiskey die Bilder des Tages hinunter. Unsere letzte Nacht in Schottland verbringen wir in Peebles. Wir buchen ein Zimmer im feudalen Tontine Hotel. Very british. Wie sehr man aber auch hier MTB lebt, erleben wir gleich beim Einchecken. Die hübsche Empfangsdame mit dem streng zurückgekämmten Haar, dem akkuraten Kostümchen und den Hackenschuhen empfängt uns mit einem freundlichen „Welcome!“ im allerfeinsten Oxford-Englisch. Als Henry erzählt, dass wir nach dem Frühstück in den Glentress-Bikepark wollen, durchlebt sie in Sekundenschnelle eine Metamorphose. In vollstem Überschwang erzählt sie uns von ihrem eigenen Enduro-Bike, von den unglaublichen Trails dort und der einmaligen Atmosphäre. Ihre Augen strahlen und wir sind uns fast sicher, dass sie ihren Dienst am kommenden Tag liebend gern gegen eine Ausfahrt mit uns getauscht hätte … Und wirklich: Glentress hat Begeisterung verdient. Die Trails zählen zu den feinsten im ganzen Vereinigten Königreich. Insgesamt warten 77,5 Kilometer bester Stollenreifenparcour auf Spaßsuchende. Es gibt eine „Skill Area“ für Übende, Pros können sich im „Freeride Park“ das volle Programm geben. Die bekannten farblichen Markierungen weisen den verschiedenen Könnensstufen den gewünschten Weg und auch hier gilt es, mangels Lift bergauf zu radeln. Glentress zählt zum Verbund der „7 Staines“, zu dem sich sieben schottische Bikedestinationen zusammengeschlossen haben. Sie alle sind im südlichen Teil Schottlands zu finden und praktischerweise liegen sie so dicht zusammen, dass man tatsächlich alle sieben Bikeparks in sieben Tagen fahren kann … Auf den zarten Hinweis unserer neuen Bekanntschaft hin („ … it‘s sooo cool!“) entscheiden wir uns zuallererst für „Spooky Woods“. Auf dem Weg dorthin treffen wir einen Local, der sich kräfteschonend von seinem Husky bergauf ziehen lässt (später werden uns die beiden auch beim Downhill überholen). „Spooky Woods“ ist ein schön angelegter, kurviger Trail mit viel Flow und Tables zum Abheben, der durch etwas gespenstisch wirkende Baumgruppen führt. Der Trail erinnert uns ein wenig an die B-Line von Whistler – easy zu fahren, mit Tonnen von Flow. Vielerorts in Glentress scheint man sich am kanadischen Vorbild orientiert und die guten Eigenschaften der „Mutter aller Bikeparks“ adaptiert zu haben. Ob Pennel‘s Vennel, Super G oder Magic Mushroom – die Trails sind klasse geshapt und machen viel Spaß, den man je nach Speed und Fahrkönnen individuell verfeinern kann. Wir tummeln uns noch lange auf den vielen Trails, bis die Sonne ihr Tagwerk einstellt. Und so stehen wir wieder auf unserer Fähre Richtung europäisches Festland, betrachten die sich entfernende Küste Großbritanniens und können uns immer noch nicht wirklich lösen. Zu vielfältig sind die Eindrücke. Bis Henry sagt: „Schottland bietet Mountainbikern so viel, man könnte ein Buch drüber schreiben.“ „Recht hast du“, entgegne ich. „Aber besser noch: Man fährt einfach mal selbst hin.“ Text: Michael Rotermund Bild: Andreas Sawitzki |
Unsere Fähre nach Schottland:
www.dfdsseaways.de
Kurzreiseticket Amsterdam- Newcastle
Preisbeispiel: 2 Personen / Standardkabine + PKW Mitnahme. Bis zu 28% Rabatt auf den Normalpreis bei Hin-und Rückfahrt innerhalb von 7 Tagen.
Ab € 134,-
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