In Zeiten, in denen unter Bikevideos noch ordentlicher Punkrock geschnitten wurde, hat Bobby Root mit seinen irren Manuals und fetten Sprüngen die Szene begeistert. Und wahrscheinlich eine ganze Generation Mountainbiker angestiftet, ihre Bikes aufs Hinterrad zu ziehen. Ganz klar, Bobby Root ist eine Legende, hinter drei Einträgen im Guinness-Buch der Rekorde steht der Name des Mannes aus Kalifornien. Gibt es einen besseren, der mir den „Wilden Westen“ zeigen könnte?
Ich warte auf Bobby. Ich habe meinen Reifen geflickt, Bobby ist nur kurz um die Ecke verschwunden. Die Sonne brennt, es ist totenstill. Plötzlich höre ich Stimmen. Es wird gerufen, geschrien. Bobby ist nicht alleine. Ich höre Reifen schnell durch den Sand rollen – und noch etwas anderes. Sind das etwa Pferdehufe? Auf einmal kommt Bobby über den Hügel geschossen, gefolgt von einem Cowboy auf einem galoppierenden Pferd. Ein Lasso kreist über seinem Kopf! Bloß schnell weg hier. Ich springe auf mein Rad und gebe alles, was ich habe. Willkommen im Wilden Westen! Willkommen in der Welt von Bobby Root!
Es ist der erste Tag in Kalifornien, und eigentlich wollte ich es langsam angehen lassen. Ein paar Cross-Country-Trails fahren, mich an das Klima gewöhnen. Direkt hinter Bobbys Haus startet der „Palm Canyon“-Trail und zieht sich dann bis hinunter ins Tal. Die vielen schnellen Passagen verleiten uns dann doch dazu, die Bremsen aufzumachen und einfach nur den Flow zu genießen. Langsam fahren mit Bobby Root? Unmöglich. Immer wieder gibt er Gummi, wir rauschen mit besten Ausblicken ins Tal hinab. Dann habe ich besagten Platten, und Bobby kommt mit einem Cowboy im Nacken angebraust. „Komm zurück!“, ruft er mir hinterher und lacht sich halbtot, „das ist nur mein Nachbar!“ Während ich langsam zu den beiden zurückrolle, verzieht sich der Staub, und ich stehe zwei grinsenden Amerikanern gegenüber. Nach einem kurzen Plausch verabschieden wir uns von Bobbys Nachbarn und geben uns wieder dem Speed hin, fliegen von einer Kurve in die nächste. Zum Glück müssen wir nicht wieder nach oben treten, Bobbys Frau Sarah holt uns mit dem Pick-up ab. Wir laden die Räder hinten auf und machen uns auf den Weg nach Hause. |
Am nächsten Tag steht das OutdoorParadies Ocotillo Wells auf dem Plan. Das Gebiet ist sehr speziell, das gelborangefarbene Gestein weckt Erinnerungen an die Berge in Utah, in denen die Rampage stattfindet. Nur ist hier alles ein paar Nummern kleiner. In den letzten Jahren hat sich hier ein richtiger Spielplatz für Outdoor und OffroadBegeisterte entwickelt. Motocrossbikes und OffroadBuggys fahren an uns vorbei, einige Hügel weiter schaufeln sich ein paar Kids Kicker. Kurze Zeit später fliegen sie durch die Luft und filmen sich mit ihren GoPros.
An der Straße parken Pickups, fast jeder zieht einen Wohnwagen. Wir fahren noch ein bisschen weiter auf das Gelände und finden einen Platz für uns. Bobby ist ganz in seinem Element: „Hier draußen zu campen, völlig unabhängig von allen anderen sein, auf mein Rad zu steigen und die Trails vor mir zu haben – das ist für mich Freiheit! Es gibt mir das Gefühl, alles schaffen zu können. The spirit of riding!“ Seine Stimme ist gefärbt mit einem breiten, kalifornischen Akzent. Wir bauen ein Lager für die Nacht, danach brechen wir auf. Uns bleibt nur noch wenig Zeit, Fotos zu machen, die Sonne kündigt bereits an, hinter den Hügeln zu verschwinden. Es geht über schmale Trails, immer auf der Suche nach guten Fotospots. Stück für Stück arbeiten wir uns den Trail entlang, bis wir alle Bilder im Kasten haben. Wieder in der Ebene angekommen, pedalieren wir zum Camp zurück. Als wir kurz darauf am Lagerfeuer sitzen und unser Essen grillen, erzählt Bobby von den Anfängen seiner Karriere. Von New World Disorder und Wheelies auf Hawaii. Von Weitsprüngen und Rekorden. Seitdem sind einige Jahre ins Land gezogen, aber noch immer ist er voller Motivation und ständig unter Strom. Heute lassen wir den Abend aber ganz entspannt mit kühlen Getränken unter dem sternenklaren Himmel ausklingen. |
Der nächste Tag führt uns nach Keyesville. Im Schlepptau: die ganze Familie Root. Seine Tochter fährt ein Cross-Country-Rennen für Schüler mit. „Bei all den Reisen, über all die Jahre, denke ich mir oft: Die Familie ist das Wichtigste, das ich habe. Deswegen genieße ich es immer, gemeinsam mit meiner Frau und den beiden Kindern unterwegs zu sein. Dass meine Tochter jetzt auch anfängt, Mountainbike zu fahren, ist für mich natürlich sehr schön zu sehen“, sagt Bobby stolz, als wir am nächsten Morgen auf dem Weg zur Startlinie sind.
Nach dem Rennen sind alle geschafft, auch Mitfiebern strengt an. Sarah macht zur Feier des Tages Tacos. Frisch gestärkt drehen wir zusammen noch eine kleine Runde über Singletrails, die den Campingplatz umgeben. Als wir am nächsten Tag wieder nach Palm Canyon kommen, will Bobby mir unbedingt noch seinen Hometrail in Idyllwild zeigen. „Auf diesem Trail habe ich vieles selber gebaut. Es gibt leider nicht so viele Mountainbiker in der Gegend – dabei haben wir hier die besten Voraussetzungen, um richtig Spaß zu haben.“ Und Spaß ist genau das passende Stichwort. Es ist ein sehr flowiger Naturtrail, an den richtigen Stellen sind zudem Anlieger gebaut und kleine Sprünge aufgeschüttet. Wir jagen uns gegenseitig den Hang runter. Irgendwann taucht der Trail in den Wald ein, schlängelt sich zwischen den Bäumen durch und spuckt uns dann schließlich auf einer Dirtroad aus. Es gibt High Fives und zwei strahlende Gesichter. Als wir nach Hause kommen, bin ich ziemlich erledigt, aber Bobby hat noch nicht genug. Er schnappt sich sein Bike und klettert aufs Dach. Ich bringe mich mit meiner Kamera in Position und Bobby lässt sich über die Kante rollen. „Wohoo! That was fun!“ – und darum geht es schließlich. Am Ende des Tages gibt es in den USA wirklich fast unbegrenzte Möglichkeiten. Auf jeden Fall gibt es hier den „Spirit of riding“! Text & Bild: Jan Volbracht |