Die Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City rückten Park City und Deer Valley in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Als Skisportorte extrem prominent, entwickelt sich die Gegend mehr und mehr auch zur Mountainbike-Destination. Das abzuchecken, konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen – und sind erstmal baden gegangen. |
Flyfishing
Gemütlich plätschert der Provo River vor sich hin, quetscht sich gurgelnd zwischen meinen Beinen hindurch. Ein dunkelblaues Wesen, kühl, undurchsichtig, mit Leben durchflutet. Mücken und Libellen fliegen haarscharf über der gekräuselten Wasseroberfläche. Langsam hebe ich die Angel, drehe mein Handgelenk und werfe den Köder mit einem kräftigen Schwung aus, genau so, wie es uns Ross erklärt hat. Die Schnur mitsamt den Fliegen bleibt auf dem Wasser liegen, fließt langsam stromabwärts. Entspannt wippt der Schwimmer im Takt der Wellen, die Spitze meiner Angelrute verfolgt ihn stoisch. Der Schwimmer kommt näher und schließlich bei mir an, es wiederholt sich derselbe Bewegungsablauf, vielleicht zum hundertsten Mal. Die meditative Monotonie wird plötzlich gestört, ein heftiges Ruckeln zieht die Spitze meiner Angel nach unten. „Du hast einen Biss!“, ruft Ross zu mir herüber und gibt mir Anweisungen. „Halt ihn unter Zug! Jetzt etwas Leine einholen! Nicht zu viel. Er soll müde werden. Lass ihn zappeln. Jetzt wieder kurbeln. Warte, ich komme mit dem Netz!“ Ross stiefelt zu mir durch das Wasser und schnappt sich den Fisch mit dem Kescher. „Bravo, guter Fang!“, sagt er und zeigt mir eine mittelgroße Bachforelle. Ich lächle zufrieden. Fliegenfischen ist in Utah extrem populär, kaum jemand, der es nicht macht. Ganze Wissenschaften ranken sich um die Herstellung des richtigen Köders, die kleinen, oft in Handarbeit hergestellten Fliegen. Es ist eine Sportart, so unaufgeregt und entspannt wie der gesamte Bundesstaat. Im Norden saftig grün wie Colorado, im Süden staubig und trocken wie Nevada, steckt Utah voller Diversität, Gegensätzlichem und landschaftlichem Reichtum. |
Die Entdeckung der Langsamkeit: Fliegenfischen im Provo River. |
Park City
Mit etwas Glück oder gutem Näschen weht einen der Wind nach Park City, mitten im Herzen Utahs. Im Winter ist es eines der besten Skigebiete der Vereinigten Staaten und nicht zuletzt seit den Olympischen Winterspielen in SLC weltweit bekannt. Hier fanden zahlreiche alpine Wettbewerbe statt, seitdem ist der Ort ein heiliger Gral für Skifahrer, mondän und vielseitig. Der Sommer gehört dann den Wanderern, Anglern, Abenteurern und – Mountainbikern. Weston schraubt gerade am letzten Bike, als wir ihn bei Jans, einem der größten Sportgeschäfte der Gegend, treffen. „Alles fertig! Es kann losgehen!“, ruft er lächelnd. Shaun kommt dazu, seine Frau und Partnerin, beide sind heute unsere Guides. Wir sind: eine sechsköpfige Gruppe, gespickt mit allen Könnensstufen, vom Novizen bis zum Bikeguide. Und ich mittendrin. Von Jans sind es mit dem Bike nur einige hundert Meter die Hauptstraße entlang bis zum Park City Mountain Village. Hier startet der Lift, er bringt uns von rund 2.000 auf gut 3.000 Höhenmeter. Die Bikes werden für uns entladen, wir rollen in den Trail. Der führt uns erst einmal bergauf, aber schon hier wird klar, dass die Strecken in exzellentem Zustand sind. Park City war einst Bergbaustadt, Blei, Gold und Silber wurden in den Stollen, die sich tief in die Wasatch Mountains gruben, gefunden. Die Bevölkerungszahlen wuchsen, es schien beinahe so, als wolle man dem benachbarten Salt Lake City auf den Pelz rücken. Nach dem Rausch kam jedoch der Kater, als die Minen den Grundwasserspiegel erreichten und überflutet wurden. Park City wurde fast zur Geisterstadt – bis einige findige Einwohner in den 1950er Jahren die alten Fördertürme nutzten, um Skifahrer auf die Berge zu transportieren. Eine Erfolgsstory nahm ihren Anfang, und trotzdem dauerte es gut 20 Jahre, bis sich die Stadt wirtschaftlich erholte und sich langsam zum Ski-Mekka entwickelte. |
Slalom durch Nordamerikanische Zitterpappeln. Park City ist auch für Naturliebhaber reizvoll! |
Und so säumen alte Bergbaugeräte unseren Weg, als wir bergauf treten, verrostet, verloren, nicht mehr benötigt. Nach dem kurzen Uphill am Lake Shadow vorbei geht es in den Downhill, wobei wir aufpassen müssen, da einige der engen Trails sowohl fürs Bergauf- als auch Bergabfahren vorgesehen sind. Weston führt die Gruppe an und gibt Rufzeichen, sobald uns ein Biker entgegenkommt. So cruisen wir entspannt zu Tal.
Die Trails sind fantastisch zu fahren. Entlang der Hänge angelegt, vernichten sie nun wenig Höhe, sind aber extrem schnell. Während wir Weston folgen, fliegt die Landschaft an uns vorbei, wir kommen durch lichte Wälder, durch buntes Laub, durch Spitzkehren. Beeindruckend sind Vielfalt und Qualität der Trails, perfekt gepflegt, aber keineswegs ihres natürlichen Charmes beraubt. Und dazu dieses Licht! Als hätte jemand am Farbsättigungsregler gedreht, strahlen Bäume, Blätter und Himmel um die Wette. Unten angekommen, nehmen wir erneut den Sessellift nach oben, um den nächsten Downhill in Angriff zu nehmen. „Der nächste Trail ist superflowig, danach kommt ,Jennis‘, der ist super-duper-flowig!“, ruft Shaun, die jetzt vorne fährt. „Und der Trail danach ist bestimmt super-duper-wooper-flowig, oder was?“, ruft jemand frech von hinten. Aber es stimmt, wenn die Trails von Park City etwas sind, dann flowig. Es macht einen Heidenspaß, relaxt den Berg hinab zu surfen, Landschaft und Geschwindigkeit zu genießen. Die Strecken sind so zahlreich, dass man locker eine Woche braucht, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein echtes Trailparadies, entspannt, und besonders für Einsteiger und wenig geübte Fahrer geeignet. Und so geht ein hervorragender erster Tag seinem Ende entgegen. |
Weston und Shaun rocken den Trailside Bike Park |
Trailside Bike Park
Der nächste Tag bringt dicke Luft, wir riechen es bereits beim Aufstehen. Noch stärker, als wir unser Hotel verlassen. „Es lodern zwei riesige Waldbrände in Utah“, klärt uns Weston auf, „der Wind steht ungünstig, sodass der Rauch zu uns rüber zieht.“ Wir beschließen, eine Gegend aufzusuchen, die nicht so stark von der Rauchbelastung betroffen ist. Und zufälligerweise befindet sich hier das nächste kleine Juwel: der Trailside Bike Park. Im Kern ein Spielplatz für Mountainbiker, bietet er etliche Übungsparcours. Perfekt, um die eigenen Fähigkeiten zu schulen. Es gibt keinen Lift, und so muss ein kleiner, nicht zu steiler Uphill bewältigt werden, um zu einer der vier Abfahrten zu gelangen – farblich markiert von grün bis schwarz, von leicht bis schwer. Anlieger, Tables, Wallrides – die Strecken sind gespickt mit Finessen, brillant, um sich der nächsten Herausforderung zu stellen. Wir nehmen die Trails mit Genuss, Weston und Shaun zeigen am Wallride ihre Skills. Am Fuße des Berges befinden sich außerdem ein Pumptrack, ein Jumptrail, verschiedene Northshore-Elemente sowie eine weitere flache Downhillstrecke mit jeder Menge Anliegern. Der Trailside Bike Park ist komplett kostenlos, nicht einmal Parkgebühren sind zu entrichten. „Die Restaurants hier müssen ein Prozent ihrer Einnahmen abführen, das fließt dann in den Tourismus“, klärt uns Shaun auf. „Davon werden dann schöne Dinge wie diese finanziert, das bringt mehr Menschen in die Gegend, die wiederum in die Restaurants gehen. Win-win-Situation für alle!“ Wir pumpen uns über den Pumptrack und jumpen über den Jumptrail bis zur Mittagszeit. Den Nachmittag verbringen wir beim Fliegenfischen. |
The Tidal Wave. |
Deer Valley
Direkt neben Park City innerhalb der Wasatchkette befindet sich ein weiteres prominentes Skigebiet: Deer Valley. Nur drei Kilometer von Park City entfernt verbringen wir hier den dritten Tag. Gefrühstückt wird feudal auf der Terrasse der Stein Eriksen Lodge. Namensgeber Stein Eriksen war einer der erfolgreichsten Skifahrer der 1950er Jahre, Olympiasieger und Weltmeister. Der Norweger war für seine spektakulär elegante Fahrweise bekannt, er prägte den Stil einer ganzen Generation. Plötzlich tauch Eric Porter auf, Mountainbike-Profi und Freund von Weston. Er wohnt ganz in der Nähe von Park City, und wird uns heute im Bikepark Gesellschaft leisten. Was für eine Ehre! Es sind nur rund 100 Meter von der Frühstücksterrasse bis zum Lift. Locker rollen wir ran und stellen uns an. Es ist der letzte Tag der Bikesaison, und es scheint, als hätten sich heute noch einmal alle Biker der Umgebung versammelt, um bei bestem Spätsommerwetter einen perfekten Abschluss zu zelebrieren. Der „Sterling Express“ bringt uns schnell hinauf, der Blick von oben verspricht einiges. Die Trails in Deer Valley sind breit und extrem professionell gebaut. Während man in Park City eher natürliche Trails vorfindet, versprüht Deer Valley mehr den Charakter eines Bikeparks. Es gibt über 100 Kilometer Trails, einige der neueren wurden von Gravity Logic gebaut, den kanadischen Trailbauern des weltberühmten Bikeparks in Whistler. Zum Warmwerden fahren wir den „Holy Roller“, einen Flowtrail allererster Güte. Schon nach wenigen Metern offenbart sich uns ein gigantisches Panorama mit Blick auf den Jordanelle-Stausee, fast fällt es schwer, die Augen auf dem Trail zu lassen. Kurve um Kurve schrauben wir uns runter, komplett easy und entspannt, und die Sonne lacht dazu. Vom hochalpin anmutenden Ambiente geht es ab in den Wald, jetzt wird es richtig schnell, kleine Wellen lassen uns abheben, wir atmen trockenen Staub ein. Es wird etwas steiler, durch hohe Anlieger geht es immer tiefer, rund sieben Kilometer und 15 Minuten später sind wir wieder am Lift. „Tidal Wave“, „Tsunami“, „Twist & Shout“ – jeder Trail hat seinen eigenen Charakter, die meisten Strecken sind als „grün“ oder „blau“ ausgewiesen, somit eignet sich Deer Valley ganz besonders für Einsteiger und Fortgeschrittene. Am Ende des Tages verabschieden wir uns von Eric Porter, der uns seine ganz persönlichen Lieblingsspot gezeigt hat. Wir schaffen es nicht, alle 110 Trailkilometer an einem Tag auszuprobieren, hatten aber einen Heidenspaß und feiern unseren ganz persönlichen Utah-Abschied. |
Meditatives Fliegenfischen am Provo River |
Die Forelle im Wohnzimmer
Im Fluss stehend, befreit Ross die Forelle vom Haken und reicht sie mir herüber. Mein erster Fang. „Schwimmen Forellen eigentlich mit oder gegen den Strom?“, frage ich ihn. „Wie man es nimmt“, sagt Ross und lächelt mir zu. „Wenn Forellen einmal ihren Platz gefunden haben, dann bleiben sie dort. Wenn sie ausreichend Nahrung, Geborgenheit und Abwechslung finden, haben sie alles, was sie brauchen. Es wird dann zu ihrem Wohnzimmer, und es gibt keinen Grund woanders hinzugehen.“ Sanft setze ich die Forelle wieder ins Wasser und öffne meine Hand. Schnell verschwindet sie in ihr wohl bekanntes Zuhause. Ich fühle mich, als wäre auch ich in Park City in meinem Wohnzimmer angekommen. Eigentlich gibt es keinen Grund zu gehen. Ich lächle ebenfalls und werfe meine Angel erneut aus. Und es scheint, als würden die Wasatch Mountains hinter mir zustimmend nicken. Text und Bild: Andreas Sawitzki |
Hier haben wir gewohnt:
The Stein Collection
www.steinlodge.com
www.ParkCityLodging.com
Park City Mountain Resort & Canyons Village
www.parkcitymountain.com
Weston und Shaun findet ihr hier:
whitepinetouring.com
Bikes könnt ihr hier leihen:
www.jans.com
Allgemeine Infos über Park City:
www.visitparkcity.com
The Stein Collection
www.steinlodge.com
www.ParkCityLodging.com
Park City Mountain Resort & Canyons Village
www.parkcitymountain.com
Weston und Shaun findet ihr hier:
whitepinetouring.com
Bikes könnt ihr hier leihen:
www.jans.com
Allgemeine Infos über Park City:
www.visitparkcity.com