Beinahe lautlos rollen die dicken Walzen über den Strand. Mein Blick will den Horizont scharfstellen, aber es funktioniert nicht – das Flimmern macht es unmöglich. Ich liebe es, am Strand spazieren zu gehen, doch das hier ist noch einmal um Längen besser. Denn während bei langen Strandspaziergängen die Umgebung kaum Veränderung zeigt, können wir mit unseren Fatbikes richtig Kilometer fressen und ständig neue Perspektiven genießen.
Die Strände an der Westküste Dänemarks gehören zweifellos zu den schönsten der Welt. Zwischen Wasserlinie und Dünen passt locker ein Fußballplatz, allein der feinkörnige Sand verhindert gepflegtes Tiki-Taka. Ein fast fünfhundert Kilometer langes Naturspektakel, das sich hoch bis an den Skagerrak zieht. Fahrradfahren auf dem teils harten, teils losen Untergrund ist eigentlich nicht möglich, doch die breiten Reifen unserer Fatbikes machen das Vorankommen zum Kinderspiel.
Dänemark hört aber nicht hinter den Dünen auf. „Wir haben entlang der Küste eine Menge Trailparks angelegt, und in Henne Strand befinden sich einige der besten Mountainbikerouten Dänemarks!“, versprach uns Lone Rolle-Pedersen vom Fremdenverkehrsverein, und exakt aus diesem Grund haben wir auch unsere MTB mit im Reisegepäck. Tatsächlich hatte sie nicht zuviel versprochen. Henne Strand liegt rund 100 Kilometer von der deutsch-dänischen Grenze entfernt in Südwest-Jütland und gehört zur Kommune Varde. Von Kiel aus sind es zwei Stunden Autofahrt, und so waren wir ziemlich schnelle an der Westküste angekommen. Kurz vor Henne Strand, im Bereich der Blåbjerg Plantage, geht es rechts ab in Richtung Blåbjerg. Mit 64 Metern über dem Meer zählt der Blåbjerg zu den höchsten Dünen Dänemarks. Früher wurde er als Seezeichen verwendet, da man die Düne vom Meer aus gut sehen kann. Von oben hat man eine hervorragende Aussicht über einen großen Teil des südwestlichen Jütlands, bei klarem Wetter soll man angeblich 40 Kirchtürme sehen können. Wir haben allerdings keine Zeit, Kirchtürme zu zählen, und rollen auf dem Parkplatz am Fuße des Blåbjergs ein. Hier erleben wir die erste Überraschung: Dutzende PKW mit Kupplungsträgern stehen bereits hier, zahlreiche Mountainbiker machen sich und ihr Material zur Ausfahrt fertig. Mountainbiken boomt in Dänemark, und was wir hier sehen, ist nur ein kleiner Teil einer beachtlichen Szene. |
Unser Blick fällt auf eine Übersichtstafel, auf der drei unterschiedlich markierte Routen zu sehen sind. Holzwegweiser mit farbigen Pfeilen darauf weisen an den Einstiegen zu den Trails den Weg, der gesamte Streckenverlauf ist außerdem mit ihnen versehen. Der weiße Pfeil kennzeichnet die Marathonrunde, mit 13 Kilometern ist sie die längste Strecke. Die schwarze Route geht über sieben Kilometer und bewegt sich auf Expertenlevel, die grüne Route ist vier Kilometer kurz und soll die Novizen ansprechen. Die verschiedenen Strecken sind miteinander kombinierbar, so kann man noch mehr zusammenhängende Kilometer fahren oder Lieblingspassagen aus unterschiedlichen Strecken miteinander verknüpfen.
Als erstes nehmen wir uns zum Warmfahren die weiße Strecke vor. Sie beginnt mit einer schönen, flowigen Bergab-Passage. Und bereits hier wird uns demonstriert, mit welchen Untergründen wir es heute zu tun bekommen: überwiegend fester, griffiger Waldboden, etwas Schotter und versandete Teilstücke. Der Sand verrät uns, dass wir uns hier in einer Dünenlandschaft bewegen, er ist allerdings nie so tief, dass man nicht locker hindurchfahren kann. Wir kommen vom Blåbjerg aus dem Wald heraus in eine Heidelandschaft. Der Trail geht handtuchbreit weiter, es gilt, kleine Wellen zu überrollen, wir können richtig Fahrt aufnehmen. Es ist beeindruckend, wie viel Mühe man sich gemacht hat, einen extrem schönen und gut zu fahrenden Trail in die Natur zu bauen. Während man in einigen Teilen Deutschlands auf extreme Ablehnung gegenüber Mountainbikern trifft, hat man hier ein echtes CrossCountry-Paradies geschaffen. Das ganze Gelände der Blåbjerg Klitplantage ist noch nicht einmal so wahnsinnig groß, durch geschickte Streckenlegung kann man aber locker zwei bis drei Tage seinen Spaß haben, ohne dass es langweilig wird. Geschickt haben die Dänen den Trend erkannt, und, bevor es zu Problemen kommt, den Bikern ihr eigenes Terrain geschaffen, in dem sie sich herrlich austoben können. Im Anschluss an die Heidelandschaft kommen wir wieder in einen Wald. Es wird ruppiger, Wurzeln und knackige Anstiege erfordern Konzentration. An manchen Stellen haben die Trailbauer Matten im Boden verlegt, um Nässe und Erosionen entgegen zu wirken. Trotzdem sehen die Trails von Henne Strand nicht gebaut aus, sondern schlängeln sich natürlich durch die Landschaft. Auf einer ebenen Schotterpassage lassen wir es stauben, bis es erneut in eine Heidepassage geht. Der kleine Weg ist extrem schmal, die Landschaft bezaubernd, kaum zu glauben, dass wir uns in Dänemark befinden. |
Nach rund 45 Minuten erreichen wir wieder den Parkplatz, ein paar Dänen haben einen Grill aufgebaut und reiben uns Bratwurstduft unter die Nase. Wir gönnen uns nur einen kleinen Snack und stürzen uns auf die schwarze Piste. Was uns hier erwartet, würde jedem CrossCountry-Rennen gut zu Gesicht stehen. Ein ewiges, schweißtreibendes Auf und Ab, ein knackiger Anstieg folgt dem nächsten, die Bergab-Passagen sind zum Teil knifflig und wurzelgespickt. Permanent muss gelenkt werden, die Kurvenfahrt verhindert eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit, macht dafür aber unglaublich Spaß. Wer bei diesen Bedingungen nicht an sein Limit kommt, ist selber schuld. Obwohl die Strecke eher XC-orientiert ist, ist es ratsam, ein Bike mit mehr Federweg zu nehmen. Wir bewegen uns auf zwei 140mm-Bikes mit 650B-Laufrädern. Handling, Beschleunigung und Schluckvermögen kommen dem Kurs extrem entgegen.
Auf einer Anhöhe bleiben wir stehen und sehen uns um. Immer wieder sind wir überrascht davon, wie vielseitig die Landschaft um uns herum aussieht – obwohl das Areal doch relativ klein ist. Streckenweise fahren wir durch dunkle, kanadische Wälder, die Heidelandschaften würden auch in die Lüneburger Heide passen, eine Ecke erinnert stark an die lichten Wälder Colorados. Ein schmaler, flowiger Downhill spuckt uns wieder am Parkplatz aus, wir sind ziemlich erschöpft, die permanente Beanspruchung hat an uns gezehrt. Wir packen unsere Räder ein, denn wir wollen rechtzeitig zum Sonnenuntergang am Meer sein. Für viele liegt Dänemark nicht so um die Ecke wie für uns. Doch ist man sowieso auf dem Weg in den hohen Norden auf der E45 mit Ziel Dänemark, Norwegen oder Schweden, sollte man sich in Haderslev einen kleinen Abstecher Richtung Esbjerg gönnen. In Henne Strand wartet nicht nur das Meer, sondern überraschenderweise auch echtes Mountainbiken. Und wem das nicht genug ist: Nur einen Katzensprung entfernt befindet sich ein vergleichbarer Trailpark in Blåvand. Folgt man der Küste noch weiter gen Norden, stößt man auf viele weitere, hervorragende Mountainbike-Reviere, die ihresgleichen suchen. Aus unserer Sicht ist es fast schon beschämend festzustellen, dass diese breite, positive Einstellung gegenüber dem Mountainbikesport hierzulande nur selten zu finden ist, und schon gar nicht in dieser Konsequenz. Dänemark ist dabei, das Mountainbiken als Volkssport zu etablieren, und kann in dieser Hinsicht sicherlich eine Vorbildfunktion einnehmen. Ein Land, dessen höchste Erhebung gerade einmal 170 Meter beträgt – wer hätte das gedacht. Text & Bild: Michael Rotermund |